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Vor dem Hintergrund neuerer Forschungen zu religiösem Dissens untersucht der Vortrag historische Akteure im frühneuzeitlichen Europa, die sich dem ordnenden Zugriff territorial verankerter Kirchentümer entzogen. Wenig scheint gewonnen, wenn man von Sekten oder Devianz spricht, handelte es sich doch um von ihrer eigenen Rechtgläubigkeit überzeugte Menschen, die gemeinschaftlich an christliche Traditionen anknüpften. Glaubenspraktiken und Mechanismen sozialer Verortung spielten dabei ineinander – und dennoch ließen und lassen sie sich nicht (ausschließlich) einer der sogenannten Konfessionskirchen zuordnen. Zuweilen bemühten sie sich sogar angelegentlich, die Spaltung des Christentums zu überwinden. Der differenzierende Blick auf die Bedeutung von vielfältigen Unterscheidungspraktiken im religiösen Feld und auf mögliche Ambiguitäten scheint geradezu nötig, um ideologische Engführungen nationaler und konfessioneller Historiographien zu überwinden. Die Historisierung von Zuschreibungsprozessen ermöglicht es, die ursprüngliche Offenheit historischer Situationen zu rekonstruieren. Auch lassen sich in dieser Re-Lektüre gängige Säkularisierungsnarrative hinterfragen.