About the Publication
Renate Dürr and Gerd Schwerhoff (Hrsg.), Kirchen, Märkte und Tavernen: Erfahrungs- und Handlungsräume in der Frühen Neuzeit (Zeitsprünge. Forschungen zur Frühen Neuzeit. Bd 9, Heft 3/4), Frankfurt a. Main: Klostermann, 2005.
Trotz aller neuen Medien, trotz Buchdruck, Flugblatt und den immer periodischer erscheinenden Zeitungen blieb die Frühe Neuzeit ganz wesentlich von der direkten Kommunikation 'von Angesicht zu Angesicht' bestimmt. Diese Kommunikation entfaltete sich an konkreten Orten, denen deshalb eine herausgehobene Bedeutung zukam. In Städten wie Dörfern können das Wirtshaus und die Taverne, der Marktplatz wie das Gotteshaus als zentrale Räume solcher Kommunikation angesehen werden. Hier begegneten sich Einheimische und Fremde, Angehöriger unterschiedlicher Schichten und Stände, Männer und Frauen. Jeder dieser Räume war obrigkeitlich reglementiert. In keinem dieser Räume ist die Kommunikation aber auf obrigkeitliche Vorgaben begrenzbar gewesen. So waren die Bau- und Bildprogramme der Kirchengebäude zwar konfessionspolitisch durchdrungen; und die Kirchen selbst wurden mehr denn je zu Räumen, die neben religiösen auch politische Erfahrungen vermittelten. Sie blieben aber auch Lebensräume der Gemeindeglieder, die diese Räume ebenfalls zu prägen wussten. Die Begegnungen in Wirtshäusern, Tavernen und Herbergen verliefen ebenso zufällig wie konstant. Darum entwickelte sich hier eine ganz eigene Kommunikationskultur unter den Angehörigen verschiedener sozialer Schichten und beider Geschlechter ebenso wie zwischen Fremden und Einheimischen. Der Marktplatz schließlich war bereits in der Frühen Neuzeit zum einen der Ort weit ausgreifender Wirtschaftsbeziehungen geworden und fungierte aber zum anderen auch als Brennglas politischer und sozialer Interaktion mit lokalen Bezügen. Mit den Beiträgen dieses Bandes wird der Versuch unternommen, die unterschiedlichen Handlungs- und Kommunikationsräume im Zusammenhang mit der jeweiligen Raumgestaltung zu analysieren, weil im Anschluss an neuere soziologische Theorien über den Raum davon ausgegangen wird, dass Handlungsraum und Ort der Handlung sich gegenseitig bedingen und beide ein Ergebnis menschlicher Ordnungsleistung darstellen.